Gicht wird in Deutschland immer häufiger diagnostiziert – und betrifft längst nicht mehr nur „ältere Herren mit üppiger Ernährung“, wie es das Klischee lange behauptet hat. Hinter der Erkrankung steckt ein komplexes Zusammenspiel aus Harnsäurestoffwechsel, Ernährung, Nierenfunktion und typischen Begleitkrankheiten wie Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes. Genau an dieser Schnittstelle taucht ein Laborwert regelmäßig mit auf, der auf den ersten Blick gar nichts mit den schmerzhaften Gelenkentzündungen zu tun zu haben scheint: die Glukose im Blut.

Was ist Glukose (Glc) und ihre Rolle bei Analysen auf Gicht
Glukose ist ein Einfachzucker, der aus der Nahrung stammt oder in der Leber aus anderen Bausteinen gebildet wird und über das Blut zu den Zellen transportiert wird. Dort dient sie – gesteuert durch das Hormon Insulin – als Hauptbrennstoff für Muskulatur, Gehirn und viele andere Gewebe. Gerät diese Steuerung aus dem Gleichgewicht, steigt der Blutzucker dauerhaft an, was langfristig Blutgefäße, Nieren und Nerven schädigt – genau jene Organsysteme, die auch bei Gicht und Hyperurikämie belastet sind.
Bei Gichtpatienten wird Glukose im Rahmen der Diagnostik nicht isoliert betrachtet, sondern zusammen mit Harnsäure, Nierenwerten, Blutfetten und häufig auch Blutdruck und Körpergewicht bewertet. Viele Betroffene bringen typische Komponenten des metabolischen Syndroms mit: abdominelle Adipositas, erhöhte Triglyzeride, niedrige HDL‑Werte, Bluthochdruck und eben erhöhte Glukose‑ oder HbA1c‑Werte. Diese Kombination verschiebt den Purinstoffwechsel, fördert eine Insulinresistenz und kann die Harnsäureausscheidung über die Niere bremsen, sodass sich Harnsäure im Blut anreichert.
In der Praxis hilft die Glukosebestimmung, das „metabolische Profil“ eines Menschen mit Gicht einzuordnen und Risikocluster zu erkennen. Wird zum Beispiel bei einer erstmalig diagnostizierten Gichtattacke ein nüchterner Blutzucker im Diabetesbereich gemessen, ist das ein deutlicher Hinweis, dass nicht nur die Harnsäure, sondern auch der Zuckerstoffwechsel gezielt behandelt werden sollte. Umgekehrt lohnt sich bei bereits bekanntem Diabetes ein Blick auf den Harnsäurewert und typische Gichtsymptome, da die Kombination das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse deutlich erhöht.
Normwerte der Glukose im Blut
Bei gesunden Erwachsenen ohne Diabetes liegt der Nüchtern‑Blutzucker (nach 8–10 Stunden ohne Essen) in der Regel unter 100 mg/dl, also unter etwa 5,6 mmol/l. Viele deutsche Labore geben einen Referenzbereich von ungefähr 60–100 mg/dl (3,3–5,6 mmol/l) für venöses Plasma an. Direkt nach einer Mahlzeit steigt der Wert deutlich an, überschreitet bei Gesunden aber normalerweise nicht 140 mg/dl (7,8 mmol/l).
Zwischen Normalbereich und manifestem Diabetes gibt es eine „Grauzone“. Nüchternwerte von 100–125 mg/dl (5,6–6,9 mmol/l) werden als abnorme Nüchternglukose bzw. gestörte Glukosetoleranz (Prädiabetes) bezeichnet und gelten bereits als Warnsignal für ein erhöhtes Risiko, später einen Diabetes zu entwickeln. Ab einem nüchternen Plasma‑Glukosewert von 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l), der an mindestens zwei verschiedenen Tagen gemessen wird, spricht die WHO‑/Fachgesellschafts‑Diagnostik von einem manifesten Diabetes mellitus.
Zusammenhang mit Harnsäure und Stoffwechsel
Glukose und Harnsäure hängen enger zusammen, als es auf den ersten Blick wirkt, weil beide im gleichen Stoffwechsel‑„Netzwerk“ von Leber, Niere und Fettgewebe verarbeitet werden. Ein dauerhaft erhöhter Blutzucker fördert Insulinresistenz, und genau diese Stoffwechsellage begünstigt auch hohe Harnsäurewerte im Blut (Hyperurikämie), was das Risiko für Gichtanfälle erhöht.
Insulin beeinflusst den Harnsäuretransport in der Niere: Bei hoher Insulinspiegel neigt die Niere dazu, mehr Harnsäure zurückzuhalten, anstatt sie auszuscheiden. Dadurch steigt die Harnsäurekonzentration im Blut, während gleichzeitig Typ‑2‑Diabetes, Übergewicht und metabolisches Syndrom häufiger auftreten – alles Faktoren, die in Studien immer wieder mit Gicht verknüpft sind. Für den Praxisalltag bedeutet das: Abweichungen der Glukosewerte liefern indirekte Hinweise darauf, ob der gesamte Stoffwechsel in eine Richtung kippt, die Gicht begünstigt.
Diagnose von Gicht: Warum Glukose-Analyse abgeben
Viele Menschen mit Gicht haben gleichzeitig Übergewicht, Bluthochdruck und Störungen im Zuckerstoffwechsel, also ein sogenanntes metabolisches Syndrom, das eng mit Typ‑2‑Diabetes verknüpft ist. Ein einfacher Glukosewert hilft, diese Risikokonstellation früh zu erkennen und gezielt zu behandeln.
Erhöhte Harnsäure und erhöhte Glukose treten häufig gemeinsam auf, weil Insulinresistenz sowohl den Zucker‑ als auch den Harnsäurehaushalt durcheinanderbringt. Wird bei einem Gichtpatienten ein gestörter Glukosestoffwechsel übersehen, bleiben wichtige Stellschrauben ungenutzt: Ernährung, Gewichtsreduktion, Bewegung und gegebenenfalls medikamentöse Therapie können gleichzeitig Blutzucker, Harnsäure und damit Gichtrisiko verbessern.
Indikationen und Vorbereitung
Eine Glukosebestimmung ist bei Gichtpatienten besonders sinnvoll, wenn zusätzliche Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Bewegungsmangel oder eine familiäre Vorbelastung für Diabetes vorliegen. In der Praxis wird der Blutzucker zudem dann kontrolliert, wenn häufig Gichtanfälle auftreten, die Harnsäure trotz Therapie schwer einstellbar ist oder bereits Hinweise auf ein metabolisches Syndrom bestehen (zum Beispiel vergrößerter Taillenumfang, Fettleber, erhöhte Triglyzeride).
Für eine aussagekräftige Nüchternglukose‑Messung sollte mindestens 8 Stunden nichts gegessen werden; Wasser ist erlaubt, auf gesüßte Getränke und Alkohol wird verzichtet. Viele gängige Schmerzmittel und Gichtmedikamente verfälschen den Blutzucker nicht relevant, dennoch ist es sinnvoll, die Ärztin oder den Arzt über alle eingenommenen Präparate zu informieren, da Kortison, Diuretika oder bestimmte Betablocker den Glukosestoffwechsel beeinflussen können.
Überwachung von Gicht: Kontrolle der Glukose
Eine regelmäßige Glukosekontrolle hilft zu erkennen, ob sich parallel zur Gicht ein Prädiabetes oder ein manifester Diabetes entwickelt, was sowohl das Herz‑Kreislauf‑Risiko als auch die Prognose der Gichterkrankung deutlich beeinflusst.
Bei bestehender Hyperurikämie oder wiederkehrenden Gichtanfällen wird daher empfohlen, Blutzuckerwerte nicht nur einmalig, sondern in sinnvollen Abständen zu überprüfen – zum Beispiel im Rahmen der Routinekontrollen beim Hausarzt oder Rheumatologen. Zeigen sich hier schleichende Anstiege, kann früh gegengesteuert werden: durch Anpassung von Ernährung, Gewicht, Bewegung und gegebenenfalls durch eine antidiabetische Therapie, die wiederum positiv auf Harnsäure und Gichtverlauf wirken kann.
Interpretation der Ergebnisse
Leicht erhöhte Nüchternglukosewerte im Bereich des Prädiabetes zeigen, dass der Stoffwechsel bereits aus dem Gleichgewicht geraten ist, auch wenn noch kein manifester Diabetes vorliegt. Für Gichtpatienten ist das ein wichtiges Warnsignal: Die Kombination aus Hyperurikämie, beginnender Insulinresistenz und oft vorhandenem Übergewicht weist auf ein deutlich erhöhtes Risiko für Herz‑Kreislauf‑Erkrankungen und eine Zunahme der Gichtanfälle hin.
Liegt der Nüchternwert wiederholt im Diabetesbereich oder werden stark schwankende Blutzuckerwerte gemessen, spricht dies für einen ausgeprägten gestörten Kohlenhydratstoffwechsel. In dieser Situation reicht eine reine Harnsäuresenkung meist nicht mehr aus: Es braucht ein strukturiertes Behandlungskonzept, das Blutzucker, Blutdruck, Lipidstatus und Harnsäure gemeinsam adressiert, um Gelenkschäden, Nierenschäden und kardiovaskuläre Komplikationen langfristig zu vermeiden.
Tabelle: Normwerte und Abweichungen
Nachfolgend sind typische Orientierungsbereiche zusammengestellt, wie sie in deutschen Laboren und Leitlinien verwendet werden. Konkrete Referenzbereiche können je nach Labor leicht abweichen, weshalb immer die Angaben auf dem eigenen Befund entscheidend sind.
| Kategorie | Nüchtern-Glukose (Plasma) | Bedeutung im Kontext Gicht |
|---|---|---|
| Normaler Bereich | ca. 70–99 mg/dl (3,9–5,5 mmol/l) | Stoffwechsel weitgehend ausgeglichen, Gichtrisiko eher durch andere Faktoren (z.B. Purinzufuhr, Genetik) geprägt. |
| Prädiabetes / abnorme Nüchternglukose | 100–125 mg/dl (5,6–6,9 mmol/l) | Deutet auf beginnende Insulinresistenz hin; häufig vergesellschaftet mit Übergewicht, Hyperurikämie und metabolischem Syndrom. |
| Diabetes mellitus | ≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l, wiederholt) | Spricht für manifesten Diabetes; erhöht das Risiko für Gichtanfälle, Nierenschäden und kardiovaskuläre Komplikationen deutlich. |
| Postprandial (2 h nach Essen/OGTT) normal | < 140 mg/dl (< 7,8 mmol/l) | Normale Glukosetoleranz, keine Hinweise auf ausgeprägte Insulinresistenz. |
| Postprandial gestört | 140–199 mg/dl (7,8–11,0 mmol/l) | Gestörte Glukosetoleranz; in Kombination mit erhöhten Harnsäurewerten klares Warnsignal für engmaschige Stoffwechselkontrolle. |
| Postprandial Diabetesbereich | ≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l) | Stark pathologischer Bereich; engmaschige diabetologische Mitbetreuung sinnvoll, da gemeinsame Kontrolle von Glukose und Harnsäure nötig ist. |








